Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Arche Nora
Dokumentarfilm, AT 2020, Farbe, 79 min., 27.3. OmeU / 28.3. OmdU
Diagonale 2020

Regie, Schnitt: Anna Kirst
Buch: Anna Kirst, Lena Weiss
Kamera: Jakob Fuhr
Originalton: Matthias Writze
Sounddesign: Theda Schifferdecker
Weitere Credits: Tonmischung: Lenja Gathmann
Farbkorrektur: Lee Niederkofler
Dramaturgische Beratung: Matthias Writze
Produzent:innen: Lena Weiss
Produktion: Glitter & Doom Filmproduktion

 

Diagonale’20 – Die Unvollendete. Die Diagonale’20 wurde aufgrund der behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 abgesagt.

Nora Sandigo hat so viele Kinder wie keine andere Frau auf der Welt: mittlerweile etwa zweitausend. Eltern, die sich undokumentiert in den USA aufhalten, deren Kinder aber als US-Bürger/innen auf die Welt gekommen sind, übertragen ihr die Vormundschaft. Und Sandigo erfüllt ihre Rolle: leidenschaftlich, medienwirksam und mit gewissem Kalkül. Anna Kirst zeigt einen vielgestaltigen, komplizierten Kosmos, der sich angesichts politischer Umbrüche zu sortieren sucht.

Das Logo der Nora Sandigo Children Foundation zeigt eine Frau, an deren Brust sich ein kleines Mädchen schmiegt. Die Umrisse Nord-, Mittel- und Südamerikas sind zu erahnen, außerdem eine Sonne, die über der Szenerie erstrahlt. Die Frau auf dem Bild heißt Nora Sandigo, und ihr Ausdruck ist der einer Heiligen. Auch in Anna Kirsts Arche Nora ist Sandigo stets bemüht, den Eindruck einer besonnenen Heldin aufrechtzuerhalten. Ihre Bewegungen sind ruhig, beinahe vorsichtig; ihre Stimme ist sanft und weich. Dass hinter diesem barmherzigen Auftreten mehr steckt, darauf deuten einige Einstellungen, die sie bei der Arbeit zeigen: Nora Sandigo hat permanent ein Telefon am Ohr, einen Kaffee vor sich oder ist anderweitig damit beschäftigt, ein Leben zu organisieren, das nicht weniger als überbordend ist. Denn die von Miami aus Operierende hat die Vollmacht für mittlerweile etwa zweitausend Kinder. Kinder, die US-Staatsbürger/innen sind, deren Eltern aber als undokumentierte Immigrant/innen bereits abgeschoben wurden oder jederzeit abgeschoben werden können. Um sie vor einem Heimschicksal zu bewahren und/oder den Kontakt nicht zu verlieren, übertragen viele Eltern Sandigo die Vollmacht.
Anna Kirsts in Zusammenarbeit mit Produzentin Lena Weiss entstandenes Langfilmdebüt erschließt eine Gemeinschaft, deren Dimensionen sich nur erahnen lassen: Wenn Nora einen Einkauf erledigt, scheinen die Wagen unter der Last der Lebensmittel zu kollabieren; zu Weihnachten reihen sich Spielzeuge meterweise auf den Tischen. Dennoch entsteht das Porträt der geschäftigen Wohltäterin nahezu beiläufig. Zentrale politische Bewegungen wie die Präsidentschaftswahl 2016 und ein drohendes Kippen der von Barack Obama verabschiedeten Gesetze DACA und DAPA diktieren das Geschehen. Letzteres machte 800.000 Kinder von Einwander/innen zu sogenannten „Dreamers“, die, im Gegensatz zu ihren Eltern, erstmals Ausweispapiere erhielten. Kirst folgt zwei Familien, die von den jüngsten Entwicklungen direkt betroffen sind, beide stammen aus Peru. Gissel, die sich ein kleines Business als Köchin aufgebaut hat und eventuell ihre neunjährige Tochter in den USA zurücklassen wird. Sowie ein Ehepaar mit zwei erwachsenen Söhnen, beide „Dreamers“. Nora Sandigo ist der geheimnisvolle, streng konservative Fluchtpunkt jener Schicksale – und inszeniert ihre Rolle professionell wie medienwirksam. Arche Nora betritt ein Terrain, das irritiert, Fragen aufwirft und Klischees durcheinanderwirbelt. Wie sieht modernes Held/innentum aus? Welche politische Position darf es vertreten? Und wo beginnt Personenkult?
(Katalogtext, cw)

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