Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Lou Andreas-Salomé
Spielfilm, DE/AT 2016, Farbe, 113 min.
Diagonale 2017

Regie: Cordula Kablitz-Post
Buch: Cordula Kablitz-Post, Susanne Hertel
Darsteller:innen: Katharina Lorenz, Nicole Heesters, Katharina Schüttler, Alexander Scheer, Julius Feldmeier, Philipp Hauß, Petra Morzé, Merab Ninidze, Matthias Lier, Peter Simonischek
Kamera: Matthias Schellenberg
Schnitt: Beatrice Babin
Originalton: Joe Knauer
Musik: Judit Varga
Szenenbild: Nikolai Ritter
Kostüm: Bettina Helmi
Produzent:innen: Cordula Kablitz-Post, Helge Sasse, Gabriele Kranzelbinder
Produktion: avanti media fiction
Koproduktion: Tempest Film Produktion, KGP Kranzelbinder Gabriele Production

 

„Sofern du willst ein Leben haben: Raube dir’s!“ Sie verschmähte Nietzsche, verstieß Rilke, fesselte Freud. Wer war Lou Andreas-Salomé? Regisseurin Cordula Kablitz-Post porträtiert die russisch-deutsche Schriftstellerin und Psychoanalytikerin in ihrer Ambiguität. Durch ihre Unkonventionalität und ihren Freiheitsdrang galt sie als eine der ersten emanzipierten Frauen – obwohl sie selbst nie für Frauenrechte eintrat.

Eine Ironie des Schicksals, dass es posthum immer schon und immer noch egal scheint, wie eigenständig man als Frau gelebt und gewirkt hat. Im Nachhinein wird auch Lou Andreas-Salomés Name heute fast immer zusammen mit denen berühmterer Männer genannt. Passend nimmt sich da Regisseurin Cordula Kablitz-Posts Zugang aus. Der eindrucksvollen Schriftstellerin, Psychoanalytikerin und freigeistigen Intellektuellen stellt sie in ihrem filmischen Porträt die männlichen Begleitfiguren ihres Lebens als eher armselige Würstel bei – vielleicht mit Ausnahme Sigmund Freuds (Harald Schrott): den Philosophen Paul Rée (Philipp Hauß), mit dem Lou in einer platonischen Beziehung zusammenlebte; den Orientalisten Friedrich Carl Andreas (Merab Ninidze), mit dem sie eine vierzigjährige Scheinehe führte, weil er sich beim Heiratsantrag ein Taschenmesser in die Brust gerammt hatte; den buttermilchgesichtigen Rilke (Julius Feldmeier), mit dem sie eine leidenschaftliche sexuelle Beziehung hatte. Auch Nietzsche wird vom Sockel der Geistesgeschichte geholt: Als verschrobener Möchtegern-Macho ist er mit Lou regelrecht überfordert.
Die wichtigste Botschaft der vergessenen Freifrau soll über das Ende des Films hinaus wirken: „Die Welt, sie wird dich schlecht begaben, glaube mir’s! Sofern du willst ein Leben haben: Raube dir’s!“
(Katalogtext, az)

In seiner klugen, einfühlsamen Machart erinnert der Film an Maria Schraders Stefan-Zweig-Verfilmung Vor der Morgenröte. Durch Salomés Lebenserinnerungen, ihren Roman „Ruth“, ihre Briefe sowie die Texte ihrer Verehrer weiß man viel über ihr Leben. Der Film bleibt auch im Wortlaut der Dialoge nah an diesen alten Quellen und lässt sie trotzdem erstaunlich frisch wirken. Peter Simonischek ist in einer Minirolle als zärtlicher alter General zu sehen, Petra Morzé gibt die kühle, an der rebellischen Tochter resignierende Mutter. Fabelhaft spielt Nicole Heesters die alte Frau, die einem jungen Germanisten ihr Leben erzählt – und sich von ihm auch die Frage gefallen lassen muss, ob es richtig war, zugunsten ihres Intellekts ihre Gefühle so zu unterdrücken. Das Kraftzentrum des ausgezeichnet besetzten Films ist aber Katharina Lorenz als junge Lou, die im Film verblüffend an ein Foto der „echten“ jungen Lou erinnert. So lebendig lässt sie diese wirken, wie man es vielen heute Lebenden nur wünschen kann.
(Anne-Catherine Simon, Die Presse)

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