Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Monte Verità
Spielfilm, CH/AT/DE 2021, Farbe, 116 min., dOF
Diagonale 2022

Regie: Stefan Jäger
Buch: Kornelija Naraks
Darsteller:innen: Maresi Riegner, Max Hubacher, Julia Jentsch, Hannah Herzsprung, Joel Basman, Phillip Hauß, Daniela Brasini, Tiana Distefano, Alina Distefano
Kamera: Daniela Knapp
Schnitt: Noemi Preiswerk
Originalton: Reto Stamm
Musik: Volker Bertelmann
Sounddesign: Gina Keller
Szenenbild: Katharina Wöppermann, Nina Mader
Kostüm: Veronika Albert
Weitere Credits: Maske: Helene Lang Licht: Stephan Rother
Produzent:innen: Katrin Renz, Barbara Pichler, Gabriele Kranzelbinder, Christine Kiauk, Herbert Schwering, Bestie Griese, Jens Wolf, Neshe Demir, Alessandro Marcionni
Produktion: tellfilm (AT)
Koproduktion: KGP Filmproduktion (AT) Coin Film (DE) MMC Movies Köln (DE)

 

Die 29-jährige Hanna (großartig: Maresi Riegner) flieht vor ihrem gewalttätigen Ehemann und folgt dem Therapeuten Otto Gross auf den Monte Verità bei Ascona. Dort entdeckt sie nicht nur die Faszination eines selbstbestimmten Lebens, sondern auch die Leidenschaft für Fotografie. Die Selbstermächtigungsgeschichte zeigt das Dilemma der bürgerlichen Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts und setzt dem Geburtsort einer Gesellschaftsuto- pie ein filmisches Denkmal.

Ein Ort der Freiheit inmitten der Natur: Auf dem Monte Verità bei Ascona im Süden der Schweiz trafen sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben Künstler*innen und anderen Sinnsuchenden all diejenigen, die den bürgerlichen Zwängen entfliehen wollten. Das von Ida Hofmann und Henri Oedenkoven gegründete Sanatorium wurde schnell zum Anziehungspunkt für Anhänger*innen unterschiedlicher alternativer Bewegungen. Auf der Suche nach neuen Gesellschaftsmodellen tanzten sie nackt ums Feuer, nahmen Sonnenbäder und suchten Heilung in der Gartenarbeit. Viele Bilder sind aus dieser Zeit erhalten, die Namen der Fotograf*innen meist unbekannt. Eine Frau wie Hanna Leitner, die Protagonistin, hätte die Urheberin solcher Aufnahmen sein können. Die 29-jährige Mutter zweier Töchter leidet an Asthmaanfällen und unter ihrem gewalttätigen Ehemann. Fluchtartig folgt sie ihrem Therapeuten Otto Gross nach Ascona und entdeckt dort nicht nur die Faszination eines selbstbestimmten Lebens und den Weg aus der Depression, sondern auch ihre Leidenschaft fürs Fotografieren.
Regisseur Stefan Jäger siedelt seine fiktive Figur Hanna, gespielt von der wunderbaren Maresi Riegner, im Umfeld historischer Persönlichkeiten (großartig: Joel Basmann als kauziger Hermann Hesse) rund um die Aussteiger*innenkolonie an und verleiht dem Dilemma der bürgerlichen Frau dieser Zeit hierdurch größere Tragweite. Die nach alternativen Gesellschaftsformen strebenden Freigeister sind Anreize und Vorbilder für ein Leben, das in absolutem Gegensatz zu Hannas bisherigem Dasein als unterdrückte, rechtlose Ehefrau steht. Hin- und hergerissen zwischen tradierten Rollenbildern, Schuldgefühlen und eigenen Ambitionen entscheidet sich die junge Frau schließlich für ihre neu gewonnene Identität als Künstlerin – für ihren Mann, einen Porträtfotografen, ein massiver Affront. Im Fokus des Films steht die Freundschaft zwischen den drei Frauen – Hanna, Ida Hofmann (Julia Jentsch) und Lotte Hattemer (Hannah Herzsprung) –, deren Gespräche sich nicht um Männer, sondern um eigene Nöte und Gedanken drehen. Der Film erzählt nicht nur eine Selbstermächtigungsgeschichte, sondern vermittelt ebenso unterhaltsam wie treffend das Lebensgefühl der Antibourgeoisie der Jahrhundertwende. Es ist vor allem ein sinnliches Bild, das Jägers Film von den Geschehnissen auf dem Berg bei Ascona entwirft: Körper in flirrendem Licht, betörende Landschaften – eine realisierte Gesellschaftsutopie, der Monte Verità ein filmisches Denkmal setzt.
(Katalogtext, ast)

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