Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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AUFBRUCH
Spielfilm, AT 2018, Farbe, 102 min., OmeU
Diagonale 2018

Regie, Buch: Ludwig Wüst
Darsteller:innen: Claudia Martini, Ludwig Wüst
Kamera: Klemens Koscher
Schnitt: Samuel Käppeli
Originalton: Tjandra Warsosumarto
Musik: Andreas Dauböck
Sounddesign: Tjandra Warsosumarto, Bernhard Maisch
Produzent:innen: Maja Savic, Ludwig Wüst
Produktion: film-pla.net

 

Es ist etwas passiert. Hans lässt seiner Wut freien Lauf und schreit einem Zug hinterher. Andernorts nimmt eine Frau schmerzvoll von ihrer Vergangenheit Abschied. Plötzlich kreuzen sich ihre Wege. Zwei gebrochene Seelen begeben sich auf die Suche nach ihrem Ich. Was AUFBRUCH am Ende bleibt, ist ein wortloser Gruß, der keine Übersetzung benötigt. Ludwig Wüsts AUFBRUCH ist ein behutsam inszeniertes Meisterstück, ein Film über das Aufeinanderschauen und das Menschsein.

Lieber Freund, spürst Du, ahnst Du denn nicht, dass es nur eines auf der Erde gibt: das ist das, was ein Herz einem andern in einem wortlosen Gruß sagen kann?
— Aus „Lieber Freund, siehst Du denn nicht ...“ (Wladimir S. Solowjow)

Seine Frau hat „Shit gebaut“, will, dass er zurückkommt, doch Hans geht nicht mehr ans Telefon. Er setzt sich in sein gelbes Mopedauto und tuckert durch die burgenländische Ebene. Andernorts sitzt eine Frau auf einer Bank am Straßenrand und spricht ihre letzten Worte in ihr Handy. Sie verabschiedet sich von einem vertrauten Menschen, redet von Demütigung und Missachtung – „Für mich war es das“ – und legt auf. Der erste Eindruck ihrer Contenance entpuppt sich als trügerisch, der Zorn überwältigt sie für einen Moment. Erschöpft sinkt sie in sich zusammen. Just in dem Augenblick, in dem der Zufall Hans vorbeikommen lässt, der sie aufliest. Eine gemeinsame Reise beginnt. Zwischen den Unbekannten entwickeln sich zärtliche Züge nonverbaler Kommunikation, ein Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit unter Fremden schenkt den beiden kurz Erleichterung. In einer Werkstatt stellt er ein Holzkreuz fertig, sie dankt es ihm mit einem Mittagessen. Als sie zu ihrem Haus kommen, ruht die Kamera auf ihr, den Schrecken vorausahnend, der sich gleich darauf in ihr Gesicht einschreibt. Nichts ist dort mehr übrig geblieben, leere Bild ächen zeugen von früheren Zeiten, ihre Vergangenheit ist ausradiert, die alte Welt liegt am Boden. Sie weint in einer kahlen Ecke, Grausamkeit in diffusem Licht, verzweifelt bricht sie zusammen, richtet sich auf und setzt ihre Reise ins Ungewisse fort. An ihrer Seite: die Kamera. Ludwig Wüst inszeniert behutsam die Zeit und die Trauer, die in Wellen über die Protagonist/innen hereinbricht, ohne die Sensation zu suchen, und schafft Raum für ein Gefühl der Komplizenschaft. Stampfende, hallende Einschläge künden von pumpendem Schmerz und der Notwendigkeit, loszulassen, um weiterzuziehen. Ein Film als Psychogramm zweier im Leben Gestrandeter voller emotionaler Zärtlichkeit unter Fremden. Am Ende bleibt das Licht und das Tönen eines Nebelhorns – ein wortloser Gruß aus der Ferne.
(Katalog, mh)

Ludwig Wüst macht Filme über Zeit. Verlorene Zeit, wiedergefundene Zeit, Zeit, die kommt, Zeit, die geht, Zeit, die gibt, Zeit, die nimmt, Zeit, die uns in Abgründe stürzt und wieder aus der Taufe hebt, Zeit, die wirkt und waltet und immer währt: das Allseiende, das Allbestimmende.
(Andrey Arnold, jugendohnefilm.com)

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