Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Eismayer
Spielfilm, AT 2022, Farbe, 87 min., OmeU
Diagonale 2023

Regie, Buch: David Wagner
Darsteller:innen: Gerhard Liebmann, Luka Dimić, Julia Koschitz, Anton Noori, Christopher Schärf, Karl Fischer, Lion Tatzber
Kamera: Serafin Spitzer
Schnitt: Stephan Bechinger
Musik: LYLIT
Szenenbild: Thiare Galleguillos, Raphael Caric
Kostüm: Monika Buttinger
Produzent:innen: Arash T. Riahi, Sabine Gruber
Produktion: Golden Girls Film

 

Junge Männer in Militäruniform, befremdet von der Welt, durch die sie von Vizeleutnant Eismayer (Gerhard Liebmann) kommandiert werden. Er ist der Schrecken aller Grundwehrdiener, Manifestation einer durch Demütigung geformten Männlichkeit. Als sich der widerständige, schwule Rekrut Mario Falak – erfrischend verspielt und aufmüpfig – salutierend meldet, hebt er tiefgreifende Machtverhältnisse aus den Angeln: „Ich möchte Ihnen ein Bussi geben.“

Eine karge, braune Landschaft, vereistes Gras, dichter Nebel, Panzer und Blutrausch. Auf dem Truppenübungsgelände des Österreichischen Bundesheers robben junge Männer über den Boden, ihr warm dampfender Atem legt sich über die kalten Befehle der Ausbilder. „Die Fersen müssen auf dem Boden picken. Ein Scharfschütze schießt euch die auf dreihundert Meter Entfernung weg.“ Kriegskommandos ohne Krieg, salutierende Jungsoldaten. Das Bundesheer als Auffangbecken einer Männlichkeit, die auf Machtdemonstration aufbaut. Ein Ort, der von Kommando und Performance bestimmt wird – theatralische Männlichkeit im Stakkato, der Exerzierplatz die Bühne. Vizeleutnant Charles Eismayer (Gerhard Liebmann) lebt für genau diesen Ort. Dort ist er gefürchtet und gehasst, bekannt für die gnadenlose Demütigung der Auszubildenden. Er ist ein Soldat der alten Schule, ein „Schleifertyp, wegen dem niemand mehr zum Bundesheer will“, so sein Vorgesetzter abfällig. Doch Eismayer will nicht hinnehmen, dass seine Kollegen einen anderen Umgangston von ihm verlangen. Und so bellt er immer lauter – bellt gegen seine fordernden Vorgesetzten, die Kompanie und dagegen, dass sogar in der starren Institution des Bundesheers die Zeit voranschreitet und ihn zu einem Soldaten-Fossil werden lässt. Er bellt und bellt, bis ihm der Geifer vom Kinn tropft. Doch die Fassade ist brüchig – wie ein altes, zerfallenes Haus in einer kalten, spröden Winterlandschaft. Durch einen der sich auftuenden Risse blickt schließlich der widerspenstige und offen als schwul geoutete Grundwehrdiener Mario Falak (Luka Dimi). Falak, der Grenzen furchtlos lachend entgegenblickt und daran glaubt, dass Fassaden dafür da sind, durchbrochen zu werden. Falak, der herausfordert – nicht nur Eismayer, sondern die ganze homophobe und rassistische „Crème-de-la-Crème-Gardekompanie-Vier“ mit ihren schmerzhaften Schwulenwitzen in Camouflage. Falak, der meldet: „Ich möchte Ihnen ein Bussi geben.“ David Wagners auf wahren Begebenheiten beruhendes und bei den 79. Filmfestspielen in Venedig uraufgeführtes Langfilmdebüt, zunächst brutal straight forward in seiner Erzählweise, entwickelt sich zu einer unerwartet liebevollen Geschichte über zwei Misfits, die sich für ein Leben auf der Exerzierplatzbühne entscheiden, obwohl diese keinen Platz für sie hat. Wagner sucht jene Ausnahme, die die Regel macht, und tritt in seinem Film eine Kettenreaktion von Überraschungsmomenten los. So bricht Eismayer – wie der titelgebende Vizeleutnant selbst – an unerwarteten Stellen mit seiner eigenen Härte, um genau dort Raum für Ekstase und Zärtlichkeit zu schaffen. Eine Riesenradfahrt der Emotionen, ein befremdendes Glissando, ein Warn- pistolen-Silver-Lining.
(Katalogtext, lh)

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