Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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The Woman He Scorned
Spielfilm, GB 1929, Schwarzweiß, 93 min., OmfZT
Diagonale 2013

Regie: Paul Czinner
Buch: Charles E. Whittaker nach einer Idee von Paul Czinner
Darsteller:innen: Pola Negri, Hans Rehmann, Warwick Ward, Cameron Carr, Margaret Rawlings
Kamera: Adolf Schlasy
Weitere Credits: Regieassistenz: Herbert Selpin
Produktion: Charles E. Whittaker

 

Ein Leuchtturmwärter heiratet eine Hafenprostituierte, um sie in ein bürgerliches Leben zu holen. Diese kann den Makel ihrer Herkunft jedoch nicht überwinden – zu stark ist die Vergangenheit, die sich in der mörderischen Figur ihres einstigen Zuhälters in die Gegenwart drängt. Raue Landschaften, expressive Bilder und nüchterne Charakterzeichnung mit Pola Negri, dem großen Stummfilmstar der 1920er.

Katalogtext Diagonale 2013:

Leuchtturmwärter heiratet Animiermädchen aus Hafenkneipe. Nicht aus Liebe, sondern weil er bei einem Schiffbruch gelobt hat: Rettet mich Gott, werde ich diese Frau retten. Die solcherart ins bürgerliche Leben verschlagene Louise unternimmt die größten Anstrengungen, den Makel ihrer Herkunft zu überwinden, aber die Vergangenheit ist stärker. Als ihr Mann sich tatsächlich in sie zu verlieben beginnt, taucht Louises inzwischen zum Mörder gewordener Zuhälter auf und erpresst sie.

In einem Interview mit der Wiener Zeitschrift „Mein Film“ macht sich Paul Czinner 1928 dafür stark, aus dem Studio hinauszugehen und „die echten Schauplätze des Lebens“ zu zeigen: „Wir werden in Zukunft wirkliche Wohnungen des Reichtums oder des Elends mieten, wir werden mit der Kamera in der Hand vornehme Klubs oder armselige Spelunken aufsuchen.“ Czinners hellsichtige Argumentation, die seiner Zeit weit voraus ist, liest sich wie ein Regiestatement zu The Woman He Scorned, den er großteils on location in Cornwall drehte, genauer in den Küstenstädtchen St. Ives und Mevagissey. Einfach alles in diesem Film spielt perfekt zusammen: die raue Landschaft mit den nüchtern gezeichneten Charakteren, die verrauchte Hafenspelunke mit den expressiven, wie durch einen Alkoholnebel aufgenommenen Bildern der gekippten Kamera, die Schauspielkunst der aus Hollywood zurückgekehrten Leinwanddiva Pola Negri mit dem Finale auf sturmgepeitschter See. The Woman He Scorned war Negris letzter Stummfilm; Czinner rang dem ebenso ehrgeizigen wie unglücklichen Filmstar der 1920er-Jahre eine seiner überzeugendsten Vorstellungen ab.

„Sie ist eine Dirne in irgend einer nordfranzösischen Hafenstadt“, beschreibt Siegfried Kracauer 1929 in der „Frankfurter Zeitung“ Negris Part. „Ein exotischer schwarzer Typ, der in einem aufgedonnerten Kostüm durch die Gasse rauscht, in die Kneipe platzt. Gute Gesten, ein Inbegriff des ,Milieus‘. Nachher wird sie eine anständige Frau. Der Leuchtturmwärter nimmt sie zu sich, und sie kocht, wäscht, küßt mit betont strahlenden Mienen. Einmal probiert sie ein ehrbares Kopftuch vor dem Spiegel an: bildschön ist sie in dieser glitzernden Sekunde. Aber das Unheil braut sich zusammen. Der Mann stößt sie aus dem Glück, nennt sie Dirne, und in einem ruderlosen Kahn treibt sie dem Tod entgegen, ohne den höhere Filme nicht glauben auskommen zu können. (Ebenso gut hätte auch eine Versöhnung stattfinden können. Das schlechte Ende ist gewöhnlich die Angst vor dem guten.) Bedeutend ist der Augenblick, in dem ihr Gesicht sich wandelt, aus dem Zustand der Seligkeit in den Abgrund des Verlassenseins stürzt.“

Doch damit lässt es Kracauer nicht bewenden. Stars und wie sie in Szene gesetzt werden sind für ihn nur ein filmisches Gestaltungsmittel unter vielen. Und so kann er sich auch einen Seitenhieb gegen den Star von Czinners fünf vorhergehenden Filmen nicht verkneifen. „Verantwortlich für den Film zeichnet Paul Czinner, der Regisseur der Bergner. Offenbar nehmen ihn deren Reize zu sehr gefangen – jedenfalls ist er in diesem Film, in dem sie ihn ungestört läßt, mehr bei der Sache. Die Straße der verlorenen Seelen [der Film lief auch als The Way of Lost Souls] ist angeblich ein Millionenfilm. Aber bei dem geringen Aufwand an Menschen und Staffage kann höchstens die Negri Millionen gekostet haben. Denn das Meer, der zweite Hauptakteur, ist schließlich umsonst. Czinner hat es aufmerksam studiert, und die Montage der Sturmszene ist ein volles Gelingen.“ (Michael Omasta und Brigitte Mayr)

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