Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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On the Road to Hollywood
Dokumentarfilm, AT 1982, 101 min., dOF
Diagonale 2023

Regie, Buch: Bernhard Frankfurter
Darsteller:innen: Walter Reisch, Hannah Norbert, Rudolph Cartier, Vojtech Fric, Frantisek Lukas, Lotte Stein, Johanna Hofer-Kortner, Fritz Hippler, Curt Trepte, Herman G. Weinberg, Paul Falkenberg, Fred Spielman, Martha Feuchtwanger, Paul Henreid
Kamera: Hermann Dunzendorfer, Kurt Jetmar, Franz Rieß, Adriano Luis, Gerhard P. Winter
Schnitt: Agnes Lenz, Astrid Kühberger
Originalton: Clemens Duniecki, Othmar Eichinger, Herbert Koller, Adriano Luis
Weitere Credits: Premiere Viennale, 1.11.1982 (Wien, Künstlerhauskino) Wissenschaftliche Recherche Astrid Kühberger, Bernhard Frankfurter, Elisabeth Schnürer
Produzent:innen: Bernhard Frankfurter
Produktion: U.F.F. – United Filmfederation in Zusammenarbeit mit dem ORF

 

Auf den Spuren der Geschichte, des Überlebens und des Kinos. Wien, Prag, London, New York, Hollywood: eine filmische Detektivarbeit, die den Wegen der in den Jahren von 1933 bis 1938 vertriebenen Regisseuren, Autoren, Schauspieler*innen in die Emigration folgt. On the Road to Hollywood, schreibt die zeitgenössische Presse, ist ein „wütendes, ein melancholisches, ein ernstes und ein mutiges Stück Film geworden – und somit auch ein riskantes, angreifbares“.

On the Road to Hollywood ist ein Versuch, die „Erfahrung des Exils“ in Bildern und Tönen zu dokumentieren, eine filmische Recherche über das österreichische Filmexil, unternommen von Bernhard Frankfurter Anfang der 1980er-Jahre. Der Regisseur hat ein Dutzend Protagonist*innen, Vertriebene wie Täter*innen, ausgeforscht, besucht und interviewt: in Wien, London, Berlin, Prag, New York sowie – als extreme Gegenpole – Theresienstadt und Hollywood. Dass sie selbst zu Wort kommen, macht einen Gutteil der Qualität seines Films aus.
Die Vielzahl der Schauplätze und Stimmen entspricht der enormen Dimension des Themas. Geplant waren mehrere Teile, streng genommen ist der Film also nicht mehr als ein Fragment. Das allerdings nicht nur zu seinem Nachteil, denn es ist so viel in ihn hineingepackt, dass er als Erzählung zwar scheitert, aber gerade dadurch erst die ganze Komplexität des Themas veranschaulicht. Das fängt an bei der Politik des deutschen Filmkonzerns Ufa, der sich 1933 bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten willfährig dem Propagandaministerium unterstellen ließ.
Lange vor dem „Anschluss“ wurden auch in Österreich zahlreiche Gesetze erlassen, Dienststellen und Gremien installiert, die die Annexion an das deutsche Filmschaffen schon vor 1938 vollzogen. Diese Zugeständnisse an die NS-Filmpolitik umfassten die Arisierung jüdischer Kinobetriebe ebenso wie die Auflösung der Interessenvertretungen für Filmschaffende, die Errichtung einer restriktiven Zensurstelle und die Einberufung eines Beratungsorgans für filmwirtschaftliche Belange durch das Handelsministerium, das zahlungskräftige „Abnehmer“ österreichischer Filme im (deutschen) Ausland zu sichern hatte und indirekt maßgeblich zur späteren Gründung der Wien-Film – des zuverlässigen Produktionszentrums auf „ostmärkischem Boden“ – beitrug.
Frankfurters Interviewpartner*innen geben Zeugnis, wie die Filmindustrie nach und nach von politisch progressiven wie auch allen jüdischen Mitarbeiter*innen „gesäubert“ wurde. Für wie viele österreichische Autor*innen, Schauspieler*innen, Musiker*innen, Regisseure, Produzenten, Kameraleute, Schnittmeister*innen, Architekt*innen, Kostümbildner*innen bedeutete 1938 das endgültige Aus? Hundert? Eher fünfhundert? Oder gar tausend? Es ist eine böse Ironie der Geschichte, dass in der Regel immer nur die „Unsrigen“, die hierblieben, sich arrangierten und profitierten, erinnert werden.
Umso wichtiger ist dieser Film. Frankfurter arbeitet gegen das Vergessen, betreibt Spurensicherung. Ganz der Dramaturgie eines Roadmovie folgend macht sich der Film auf den Weg von der alten in die neue Welt. Eine Station ist London, wo Frankfurter Hannah Norbert trifft, die als aufstrebende junge Schauspielerin Österreich verlassen musste: „Die große Karriere ist am 12. März ’38 zu Ende gegangen.“ In Berlin interviewt er Curt Trepte, der 1936 in Kämpfer mitwirkte, dem antifaschistischen Zentralwerk der deutschen Emigration in der Sowjetunion.
Eine andere Station ist New York, wo der Komponist Fred Spielman am Klavier seinen Schlager von den „Schinkenfleckerln“ intoniert und der legendäre US-Filmhistoriker Herman G. Weinberg, der mit Erich von Stroheim, Marlene Dietrich, Paul Leni, Ernst Lubitsch und vielen anderen befreundet war, konstatiert: „Erst Sternberg und Stroheim haben dem amerikanischen Kino Ernst und Tiefe gegeben.“ So steuert der Film seinem in weiter Ferne gelegenen Ziel entgegen: den Stars in Hollywood, Paul Henreid (of Casablanca fame) und dem oscarprämierten Drehbuchautor Walter Reisch. Der, ganz entgegen der Verlustrhetorik der frühen Exilforschung, sagt: „Also, zu Depressionen hab ich keine Zeit gehabt.“
(Katalogtext, Brigitte Mayr, Michael Omasta)

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