Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Gehen am Strand
Spielfilm, AT 2013, Farbe, 112 min., OmeU
Diagonale 2013

Regie, Buch, Schnitt: Caspar Pfaundler
Darsteller:innen: Elisabeth Umlauft, Harry Lampl, Claudia Martini, Karl Fischer u.a.
Kamera: Peter Roehsler
Originalton: Jakob Palfrader, Hubert Grissemann, Bernhard Maisch
Musik: Georg Philipp Telemann, Wolfgang Amadeus Mozart
Sounddesign: Axel Rab
Szenenbild: Michael Drexler
Kostüm: Silvia Pernegger
Produzent:innen: Peter Roehsler
Produktion: nanookfilm

 

Anja kommt nicht von der Stelle. Diplomarbeit und Privatleben laufen gleichermaßen ins Leere, aus Antriebslosigkeit wird Depression. Als sich ihre Familie zum Begräbnis der Großmutter in Holland versammelt, flüchtet Anja ans Meer und stellt sich ihrer Einsamkeit. Aus der Intensität der Empfindung erwächst eine neue Selbstwahrnehmung. Gehen am Strand erzählt von der schmerzhaften Bewusstwerdung einer weit klaffenden Leerstelle: dem fehlenden Selbstverständnis, einfach sein zu dürfen.

Katalogtext Diagonale 2013:

Wellenrauschen, eine junge Frau am Strand. Etwas später wird Caspar Pfaundler an diesen Punkt der Geschichte zurückführen, zunächst geleitet er aber ins spätsommerliche Wien, wo Anja mit der Fertigstellung ihrer Diplomarbeit hadert. Das hätten schon andere vor ihr geschafft, meint ihre Mutter wenig hilfreich am Telefon, sie selbst beispielsweise – hochschwanger und im Umfang einer ganzen Dissertation. Anja knallt den Hörer auf die Gabel. Sie scheint in einer mentalen Sackgasse gefangen.

Zunehmend steigert sich ihr Gefühl von Antriebslosigkeit zur umfassenden Depression – als unliebsame Routine überträgt sich das Nicht-von-der-Stelle-Kommen auf den gesamten Tagesablauf. Anstatt aufzuzählen, was in ihrem Leben funktioniert, wäre es einfacher, zu betonen, was gerade nicht so läuft, gesteht Anja ihrer Therapeutin. Ihr Privatleben etwa, das analog zu den weiß bleibenden Seiten der Diplomarbeit in dauerhafter Pattstellung verharrt. Auch wenn Anja immer wieder nach Nähe sucht, hält sie ihre Mitwelt doch auf Distanz. Nur selten gelangen Personen tatsächlich an ihre Seite. Die wenigen sozialen Beziehungen in ihrem Leben vermitteln sich großteils über zwischengeschaltete, anachronistisch anmutende Medien: Postkarten, Festnetztelefon. Auch der Sex mit einer Zufallsbekanntschaft verläuft anonym und gefühlsarm. Erst als ihre Großmutter in Holland stirbt, wird Anja förmlich zum Aufbruch gezwungen. Eine Reise ans Meer führt zur möglicherweise ersten willentlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Einsamkeit. Doch die Rückkehr in die Realität zu Hause stellt das neu gefundene Selbstgefühl auf eine harte Probe.

Kühl und distanziert lässt Caspar Pfaundler das Publikum an der zunehmenden Selbstisolation einer jungen Frau teilhaben. Vieles an diesem Prozess bleibt unausgesprochen, doch ist es paradoxerweise gerade das Unkonkrete, das der Filmemacher in stimmige Bilder übersetzt, in denen das fragile Innenleben der Hauptfigur fühlbar wird: Details wie die gera- dezu obsessiven Blicke Anjas in fremde Wohnungsfenster – möglicherweise Ausdruck einer tief sitzenden Sehnsucht nach Gesellschaft, nach Einpassung in das Leben dahinter, einem Leben nach Plan. Gehen am Strand begleitet die schmerzhafte Bewusstwerdung einer weit klaffenden Leerstelle: des fehlenden Selbstverständnisses, einfach sein zu dürfen. (red)

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