Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88
Dokumentarfilm, AT 1988, Farbe, 30 min.
Diagonale 2021

Regie: VALIE EXPORT

 

Elfriede Jelinek und VALIE EXPORT sind Weggefährtinnen. Sie haben sich wiederholt aufeinander bezogen und an gemeinsamen Projekten gearbeitet. Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88 zeigt Jelinek beim Sehen der Nachrichten, beim Reagieren und vor allem: beim Kommentieren. Das spezifische medienimmanente Setting greifen wir auf und präsentieren diese Arbeit als Installation im Augarten Art Hotel.

Elfriede Jelinek spielt sich selbst. Sie sitzt in ihrem Wohnzimmer, ausgestreckt auf einem Designerlehnstuhl und schaut fern – eine Tätigkeit, der sie regelmäßig nachgeht. Der Countdown läuft, „absolute Spannung auf dem Höhepunkt“, sagt sie. Dann beginnen die ersten Abendnachrichten des ORF vom 18. August 1988, zwei weitere Sendungen (unter anderem mit Nachrichten aus den Bundesländern) werden folgen. Wir sehen Jelinek beim Zuschauen zu, beim Reagieren und vor allem: beim Kommentieren. Die Nachrichten des Tages – in diesem Jahr vor dem Fall des Eisernen Vorhangs – erscheinen auch heute noch von historischer Reichweite (quasi in Umkehr zu Chantal Akermans News from Home von 1976, der um eine Mutter-Tochter-Beziehung kreist). Die Streiks der polnischen Solidarność kommen ebenso vor wie die Nominierung George Bushs für die US-Präsidentschaftswahlen 1988. Den Ausgang des Geiseldramas von Gladbeck quittiert Jelinek mit: „Also ohne Polizei wär’ das nicht passiert.“ Zu Jörg Haiders Aussage, man könne Gastarbeiter/innen durch Arbeitslose ersetzen, (1) ruft sie aus: „Das ist unglaublich, der traut sich das wirklich sagen!“ Jelineks Kommentar funktioniert als Übersetzung der Nachrichten, die alle Kategorien umspannen – Inland und Ausland, Ost und West, Drama und Banalität –, relativiert sie, ermöglicht ironische Distanz.
Elfriede Jelinek und VALIE EXPORT sind Weggefährtinnen, die Sichtweisen und Annährungen teilen. Sie haben sich wiederholt aufeinander bezogen und an gemeinsamen Projekten gearbeitet. Das spezifische medienimmanente Setting von Elfriede Jelinek. News from Home 18.8.88 greifen wir auf und präsentieren diese Arbeit als Installation in einem Zimmer im Augarten Art Hotel, das auch andere Kunstwerke von VALIE EXPORT beherbergt. Begleitend dazu versammelt eine Linkliste Online-Archivalien zu Jelinek, die auch vor Ort auf einem Computer gesichtet werden können.

Mediathek – YouTube+
„(...) dann wird der Text kryptisch weiterleben, denn was das Netz einmal hat, das gibt es nie wieder her“, sagt Elfriede Jelinek über ihren ausschließlich auf ihrer Website veröffentlichten „Privatroman“ „NEID“. Ähnliches lässt sich auch über die vielen Stunden Audio- und Videomaterial mit ihr und über sie sagen, die auf legalem und illegalem Weg in das Netz Eingang gefunden haben und dort ein Eigenleben entfalten. Das Material ist angespült, wirkt wie der Rest einer über Bord geworfenen Ladung: willkürlich und oftmals auch beschädigt. Zusammengetragen hat es ein Algorithmus oder eine Suchanstrengung unsererseits; Zufall gibt es ja nicht im Internet. Aber genau darin liegen der Charme des Materials und der Genuss im Konsumieren desselben: Es wirkt wie eine Zeitkapsel, eine Botschaft aus der Vergangenheit, die uns direkt anspricht. Da streitet etwa das Trio infernal Hellmuth Karasek, Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler über „LUST“ im „Literarischen Quartett“ 1989, während „Panorama – Schriftsteller und die Medien“ TV-Archivmaterial verschiedenster österreichischer Schriftsteller/innen – unter ihnen auch Jelinek – kompiliert. In einem Dialog mit dem Fußballer Uli Hoeneß über die Ehe in Je später der Abend aus dem Jahr 1976 agiert die Autorin unbefangen, schlichtweg cool. Sie reagiert einfühlsam, davon zeugen auch ihre Antworten auf Anrufe von Hörer/innen der ORF-Radiosendung Von Tag zu Tag (1978). Und ein Porträt der Nobelpreis-Akademie erinnert uns daran, dass Jelineks Werk und Bedeutung den unmittelbaren historischen Kontext – das Österreich der Gegenwart – weit übersteigen.
(Dietmar Schwärzler, Sylvia Szely)


(1) 1991 sollte Haider den historischen Ausspruch von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik“ im Dritten Reich tätigen.

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