Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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2551.02 – The Orgy of the Damned
Innovatives Kino, AT 2023, Farbe+SW, 82 min., kein Dialog
Diagonale 2023

Regie, Schnitt: Norbert Pfaffenbichler
Darsteller:innen: Stefan Erber, Veronika Harb, Jurij Föger
Kamera: Martin Putz
Musik: Wolfgang Frisch, Simon Spitzer, Julia Witas, Henry Purcell, Giacomo Puccini, Wolfgang Amadeus Mozart
Sounddesign: Wolfgang Frisch
Szenenbild: Sanja Halb
Kostüm: Valerie Wagner
Weitere Credits: Maske: Cindy Sageder Animation: Paul Lechmann
Produzent:innen: Norbert Pfaffenbichler

 

Noch immer auf der Suche nach dem Kind, das ihm im ersten Teil der geplanten 2551-Trilogie abhandengekommen ist, stolpert der Affenmann durch eine dystopische Unterwelt infernalischer Obszönitäten und perfider Gewalt. Ein außerordentliches Low-Budget-Werk, das in seiner Radikalität, seiner lustvollen Inszenierung des Abjekten, seinem düsteren Humor und seinem Spirit seinesgleichen vergeblich sucht.

Noch immer auf der Suche nach dem titelgebenden Kind, das er in 2551.01 – The Kid erst widerwillig bei sich aufgenommen und schließlich gewaltsam wieder verloren hat, stolpert Norbert Pfaffenbichlers Affenmann auch im zweiten Teil der geplanten 2551-Trilogie durch eine dystopische Unterwelt, die von monströsen, deformierten, pervertierten Maskengestalten bevölkert ist. Während das Kind mit dem Jutesack über dem Kopf als Gefangener des Terrorregimes zum Unmenschen gedrillt wird, wird der (Anti-)Held auf der Flucht vor einem Pestarzt und der ihn begleitenden Exekutive durch eine düstere Arena infernalischer Obszönitäten und perfider Gewalt getrieben. In jedem Keller, hinter jeder Ecke, in jedem Tunnel offenbaren sich Abscheulichkeiten und tiefste Abgründe: ein Fighting-Contest, bei dem sich die Kontrahent*innen zu treibendem Techno vor einer ekstatisch jubelnden Crowd gegenseitig die Gesichter zu Brei schlagen, sich aufschlitzen und umbringen, eine Massenschlägerei in einer Bar und die Darkrooms der Unterwelt. Im drogeninduzierten Rausch taumelt der Protagonist gemeinsam mit Kameramann Martin Putz durch ein surreales Reich körperlicher Begierden, einen vulgären Fleischmarkt, auf dem Frauen wie Waren bereitliegen und das Angebot grenzenlos ist. Hier wird nicht einfach nur gefickt, geleckt, gewichst, gespritzt, gekotzt und gekackt. Pfaffenbichler inszeniert eine pornografische Nummernrevue pervertierter Machtverhältnisse, einen Horrortrip durch ein rot beleuchtetes Höllenszenario, in dem die niederträchtigsten Fantasien Bild werden. Wer dem Abjekten direkt in die Augen schauen kann und will, kommt in Pfaffenbichlers Porno-Horror-Kino nicht zu kurz.
Eine junge, unerschrockene Frau haut den Affenmann im doppelten Sinne um. Als man ihm nach dem Leben trachtet, kommt sie ihm zu Hilfe, pflegt ihn. Cronenberg’sche Körpertransformationen und eine phantasmagorische Orgie zünden inmitten dieser erbarmungslos kalten Welt den utopischen Funken von zärtlicher Verschmelzung, Wärme und Gemeinschaft, bis die ekstatisch sich windenden Leiber mit wimmelnden Maden überblendet und die von Gott Verlassenen an ihre ewige Höllenstrafe erinnert werden, an die unendliche seelische und physische Pein, zu der sie hier unten verdammt sind: „Lass mich, lass mich wieder gefrier’n zu Tod.“
Mit kleiner Förderung haben Pfaffenbichler und sein hingebungsvolles Team erneut einen bemerkenswerten Film ohne Dialog realisiert, in dem terrorisierender Metal, Giacomo Puccini und Techno auf Splatter, Slapstick, Pornografie und Lovestory treffen und der in seiner Radikalität, seiner eigenwilligen Ästhetik, seiner Detailverliebtheit, seiner lustvollen Inszenierung des Verworfenen, seinem Witz und seinem Spirit seinesgleichen sucht.
(Katalogtext, mk)

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