Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Ciao Chérie
Spielfilm, AT 2017, Farbe, 85 min., OmdU
Diagonale 2017

Regie, Buch, Schnitt: Nina Kusturica
Darsteller:innen: Simonida Selimović, Sikavi Agbogbe, Nahoko Fort-Nishigami, Ayo Aloba, Zoran Šargić, Dioma Mar Dramè, Esmat Azimi, Rade Jovanović, Isabella Campestrini, Ratka Krstulović-Kusturica, Laura Selimović
Kamera: Michael Schindegger
Originalton: Andi Pils
Sounddesign: Gerhard Daurer, Andi Pils
Weitere Credits:
Casting: Nora Friedel
Produzent:innen: Nina Kusturica
Produktion: Nina Kusturica Projects

 

Ein Call-Shop als Umschlagplatz von Lebensgeschichten. Das Telefon als Intimitätsmaschine und als Entfremdungsapparat. Verbindungen, die man halten wollte, reißen ab. Geflüchtet, gestrandet, gekommen, um zu bleiben oder doch nur um schnell etwas Geld zu überweisen. Worte, die ganze Welten enthalten, ein mitunter skurril-witziger Mikrokosmos erzählter Universen: Ciao Chérie, in Gedanken wird man immer bei sich sein.

Eine junge Frau telefoniert. Würde man sie nicht sehen, würde man sie trotzdem lächeln hören, während sie spricht, kurze Fragen stellt und kleine Erlebnisse erzählt. Am anderen Ende der Leitung tatsächlich jemand, den man sich nur vorstellen kann. Durch die Stimme, die man hört – und durch das, was die junge Frau ihm antwortet, wie sie ihm antwortet, fest entschlossen zu einer Versöhnung, die einem offenbar vorangegangenen Streit nachhinkt und einem neuen gleich wieder vorzugreifen sucht.
In ihrem Dokumentarfilm Little Alien porträtierte Regisseurin Nina Kusturica minderjährige Flüchtlinge. Auch ihre Recherche für einen Spielfilm ging sie dokumentarisch an. Ciao Chérie spielt in einem Call-Shop im 16. Wiener Gemeindebezirk, der zum mitunter skurril-witzigen Mikrokosmos erzählter Universen avanciert. Telefonkabinen, ein kleiner Tresen, ein Kaugummiautomat, ein paar kahle Tische, Blinklichter überall. Dioma aus dem Senegal versucht, ihren Freund zu überreden, doch wieder nach Österreich zu kommen. Er will nicht. Samo weiß nicht, was er sagen soll, wenn ihm seine Familie aus Syrien erzählt, dass sie nur alle zwanzig Tage für kurze Zeit Strom hat. Der Vater eines anderen jungen Mannes hat ihm übers Telefon eine Ehefrau verschafft. Der hat hier aber schon eine Freundin. Kusturica drehte mit Laiendarsteller/innen und professionellen Schauspieler/innen. Mit oft nur wenigen Worten, in kurzen Sätzen oder auch in langen Redepausen werden hier von kleinen Kabinen aus ganze Leben umrissen, und ganze Länder werden wie in einem Stille-Post-Mechanismus politisch akzentuiert, ohne dass Sprecher/innen und Kamera die Telefonkabinen oder den Call-Shop je verlassen.
Die Kombination von Sprache und Bild (Kamera: Michael Schindegger) macht Räume auf, wo nur Gedanken wären. Räume, die größer sind als die Redezellen, die Beichtstühle, die Festhalteboxen, die Loslassungszimmer, die Intimitätskabinen der Einsam- und der Glückseligkeit. Wo nur gehört werden kann, wird jedes Wort bedeutend. Jeder Atemzug, jede Pause, jede Intonation.
In einer erzählerischen Ellipse kehrt der Film wieder zur jungen Frau vom Beginn zurück. Heute schließt sie das Gespräch. Mit hoher Intonation, mit einem Lächeln, mit einer Vorwärtsbewegung: raus aus der Kabine.
(Katalogtext, az)

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