Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Emile – Erinnerungen eines Vertriebenen
Dokumentarfilm, AT 2023, Farbe+SW, 86 min., OmeU
Diagonale 2023

Regie, Buch, Kamera, Originalton: Rainer Frimmel
Darsteller:innen: Emile Zuckerkandl
Schnitt: Tizza Covi
Sounddesign: Manuel Meichsner
Produzent:innen: Rainer Frimmel
Produktion: Vento Film

 

„Das schreibe ich auf, damit ich mich später einmal daran erinnern kann“, notiert Emile Zuckerkandl. Seine Erinnerungen sind lebendig und klar, wenn er vom Salon seiner Großmutter, vom Einzug Hitlers nach dem Anschluss und von seiner Flucht nach Algerien erzählt. Ganz nah an seinem charismatischen Protagonisten fixiert Frimmel ein verwobenes Netz aus persönlichen Erinnerungen, die zum Zeitdokument geworden sind.

„Für Herrn Zuckerkandl Junior: Jeder Blödsinn kann dadurch zu Bedeutung gelangen, dass er von Millionen Menschen geglaubt wird“, schreibt Albert Einstein 1932 in das Spruchbüchlein des jungen Emile. Dieser sammelt leidenschaftlich Autogramme, auch jene der Gäste seiner Großmutter: Felix Salten, Stefan Zweig, Alma Mahler, Carl Moll, Maria Königin von Rumänien, Max Reinhardt und viele mehr treffen sich im Salon von Berta Zuckerkandl-Szeps, einer Journalistin und Netzwerkerin der Wiener Moderne, einer außerordentlichen Frau, an die sich Emile Zuckerkandl mit liebevollem Lächeln erinnert, wenn er durch die Familienalben blättert. Auch Erlebtes findet sich unter den Zeitdokumenten des enthusiastischen Sammlers. „Das schreibe ich auf, damit ich mich später einmal daran erinnern kann“, steht in einem seiner vielen Tagebücher. Achtzig Jahre später sind seine Erinnerungen lebendig und klar. Getragen von Bildern und Emotionen lassen sie mal ein schelmisches Lächeln aufblitzen, mal unvergessenen Schmerz, wenn Zuckerkandl seinem Großneffen Rainer Frimmel von den Stationen und Episoden seines Lebens erzählt: vom Aufwachsen beim Sanatorium in Purkersdorf, von den Treffen im Salon der Großmutter, vom Einzug Hitlers nach dem „Anschluss“, von der Flucht über Frankreich nach Algerien, von der Begegnung mit seiner faszinierenden Frau Jane und von seiner internationalen Karriere als Evolutionsbiologe.
Rainer Frimmels kontrastreiches, 2012 gedrehtes Porträt von Emile Zuckerkandl bleibt stets ganz nah an seinem charismatischen und geistreichen Protagonisten und dessen lebhaften Erzählungen und fixiert ein in die Weltgeschichte verwobenes Netz aus persönlichen Erinnerungen, die zu einem Zeitdokument geworden sind. 2013, kurz vor seinem Tod, erwirbt die Österreichische Nationalbibliothek die Tagebücher von Emile Zuckerkandl. In Emile – Erinnerungen eines Vertriebenen werden sie – ebenso wie die Autografensammlung, analoge Reisefilme aus der Nachkriegszeit, Klimts „Mohnwiese“, die ursprünglich im elterlichen Salon hing, oder die so vertrauten Möbel aus dem Wohnzimmer der Großmutter, die plötzlich im Katalog einer Wiener Galerie auftauchen – zu Portalen in die Vergangenheit, die sich im Angesicht der Erinnerung öffnen. Es ist das würdevolle Porträt eines ehrwürdigen Lebens, das, gezeichnet vom Verlust, auch die Frage danach stellt, was bleibt – und eine Antwort darauf findet.
(Katalogtext, mg)

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