Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Stories from the Sea
Dokumentarfilm, AT 2021, Schwarzweiß, 87 min.
Diagonale 2022

Regie, Buch: Jola Wieczorek
Kamera: Serafin Spitzer
Schnitt: Rubén Rocha, Schnittberatung: Niels Pagh Andersen, Anne Fabini
Originalton: Nora Czamler, Eva Hausberger, Benedikt Palier
Musik: Julia Kent
Sounddesign: Nora Czamler
Weitere Credits: Produktionsleitung: Hanne Lassl Tonmischung: Bernhard Maisch / Tremens Film Tonstudio Spezieller Dank: Freibeuter Film
Produzent:innen: Jola Wieczorek
Produktion: Fahrenheit Films

 

Vier Schiffe befahren das Mittelmeer und mit ihnen Geschichten, die so unterschiedlich sind wie ihre Besatzung: Da sind Jessica, eine junge Auszubildende auf einem Frachter voller Männer, und die Witwe Amparo, die allein eine Kreuzfahrt unternimmt. Zwei Segelbootcrews wollen vor allem Zeit miteinander verbringen. Regisseurin Jola Wieczorek überlässt sich dem Wechselspiel zwischen Meer und Mensch, lauscht jener alten Beziehung, die fortwährend fasziniert.

Wie blau das Meer sein muss, kann man nur erahnen. Denn in Jola Wieczoreks Film präsentiert es sich farblos, darin allerdings nicht minder beeindruckend. Aufnahmen in Schwarz-Weiß zeigen einen Ort in den verschiedensten Zuständen, mal durchzieht Gischt das Wasser wie Fett ein stark durchwachsenes Stück Fleisch, dann liegt die See schwer und dunkel. Insgesamt vier Schiffe durchkreuzen das Mittelmeer, alle in unterschiedlicher Mission. Zwei von ihnen verzichten darauf, diese ausdrücklich zu benennen – Ziel gebe es nämlich keins, heißt es von den Segelschiffen Viva und Tanimar. Dafür viel Zeit. Von vier Kontinenten stammt die Besatzung, und zwischen Gesprächen über spezifische Länderküchen bieten die Tage an Bord auch Möglichkeit zu Selbsterfahrung und Austausch: Wo liegen meine Wurzeln? Was bedeutet Heimat? Warum übt das Meer eine so starke Anziehung auf mich aus?
Jessica Willers, Auszubildende und einzige Frau auf dem Frachtschiff Joanna Borchard, ist sich derweil nicht sicher, ob sie dem baldigen Ende der Fahrt freudig entgegenblickt oder nicht. Ihr Freund schickt via Telefon Liebesbotschaften, in denen er das große Vermissen bekundet, gleichzeitig vermittelt Wieczorek auch das Bild einer jungen Frau, die es genießt, die Arbeitskluft abzustreifen und in den Wellen abzutauchen. In den Abendstunden unterhalten sich Willers und die mehrheitlich aus Filipinos bestehende Mannschaft mit Karaoke. Die Tage auf der Joanna Borchard wirken harmonisch und angenehm, das Containerschiff als Ausdruck internationalen Handels und der Globalisierung liegt massiv und selbstsicher auf dem Wasser.
Ein völlig anderes Erlebnis hat die Witwe Amparo Guillot Fernandez auf dem Kreuzfahrtschiff Costa Diadema, auf dem sie eine mit dem Porträt ihres Mannes bestückte Einzelkabine bewohnt. Amparo ist lebensfroh, gesellig – und mutet inmitten der teils aufgekratzten Atmosphäre dennoch verloren an. Die verträumt-melancholischen Arrangements der Cellistin Julia Kent, die für Stories from the Sea einen eigenen Soundtrack komponiert hat, unterstreichen jenen Eindruck. Sie sind es auch, welche die Geschichten miteinander verbinden. Geschichten, die weit über das hinausreichen, was zu sehen ist: Schließlich ist das Meer auch ein Territorium, auf dem die Reisenden erzählen. Amparo aus Ehetagen mit einem Expriester, auf einem der Segelschiffe geht es um das tragische Kentern eines Flüchtlingsbootes vor Lampedusa. Und das Wasser – es scheint all die Stimmungen aufzunehmen, zu schlucken, auf ewig zu bewahren.
(Katalogtext, cw)

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