Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Ehesache Lorenz
Spielfilm, DDR 1959, Schwarzweiß, 78 min.
Diagonale 2016

Regie: Joachim Kunert
Buch: Berta Waterstradt nach ihrem gleichnamigen Bühnenstück
Darsteller:innen: Ahnert, Gerlind (Helga Ritter) Behrens, Manja (Trude Lorenz) Brummerhoff, Charlotte (Sekretärin Lamprechts) Danegger, Mathilde (Lieschen Schliffke) Flörchinger, Martin (Willi Lorenz) Frank, Amy (Frau Lehmann) Garbe, Albert (Albert Schliffke) Kubitschek, Ruth-Maria Küter, Charlotte (Mutter Fischer) Legal, Marga (Schöffin Cavalier) Ruge, Antje (Elli Lemke) Schmuck, Lilly (Gitta Lorenz) Steingraf, Kurt (Kaderleiter Lamprecht) Stiege, Peter A. (Schöffe Müller) Thein, Ulrich (Peter Fischer) Ulrich, Rudolf (Kurt Lemke)
Kamera: Günter Marczinkowsky
Schnitt: Hildegard Conrad
Musik: André Asriel
Szenenbild: Gerhard Helwig
Kostüm: Luise Schmidt
Weitere Credits: Dramaturgie: Hanns Julius Wille
Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme, Erich Albrecht

 

Die Ehe einer seit mehr als zwanzig Jahren verheirateten Scheidungsrichterin gerät in eine Krise, als ihr Mann, Abteilungsleiter eines Großbetriebs, sich auf eine Affäre mit seiner Sekretärin einlässt. Heiter und nachdenklich zugleich stellt der Film die Frage, ob es zu einer Trennung der beiden kommen muss oder unter welchen Umständen die Ehe noch zu retten wäre.

Ein Ehepaar steht vor der versierten Scheidungsrichterin, die anstelle eines schnell gefällten Urteils eine Lösung finden möchte, die beide Parteien zufriedenstellt. Der Mann betrügt seine Frau mit einer Jüngeren, die Gattin vernachlässigt Haushalt und Kinder. Um die ausweglose Situation in den Griff zu bekommen, setzt Richterin Trude Lorenz eine sechsmonatige Bedenkzeit fest, in der das Zusammenleben noch mal versucht werden soll, um den endgültigen Bruch zu vermeiden.
Die Richterin weiß noch nicht, dass sie bald selbst mit ähnlichen Problemen konfrontiert sein wird. Trude Lorenz hat ihre juristische Fachausbildung nicht an einer Universität erworben, sondern – ganz Vorzeigefrau der sozialistischen Moral – in Lehrgängen an einer Volksrichterschule, wo „Muttilein“, wie ihr Ehemann Willi sie gerne nennt, den zweiten Bildungsweg absolvierte. Ihr Beruf ist ihr mittlerweile Berufung, überstunden und die nicht erledigte Arbeit, die sie abends mit nach Hause nimmt, zeugen davon. Was wiederum ihren Gatten im 24. Ehejahr in die Arme seiner hübschen Sekretärin Helga treibt, mit der er als Abteilungsleiter eines Schwermaschinenbau- Kombinats häufig auf Dienstreise und fremdgeht. Ungewöhnlich für die späten 1950er-Jahre ist das starke Frauenbild, das der Film quer durch alle Altersgruppen und Berufsschichten zeichnet: ob die Juristin in leitender Position, die nach Hunderten vollzogenen Scheidungsurteilen nun selbst in einer Krise steckt, oder ihre unbeschwerte Tochter Gitta, die ihren Verlobten Peter zwar nicht mit ihren Kochkünsten, aber im beruflichen Alltag als Modedesignerin beeindrucken kann. Selbst die Schöffin, die ihrer Vorgesetzten den Hinweis auf die Affäre ihres Mannes gibt, trägt positive Züge weiblicher Solidarität, wie auch die patente Frau Schliffke, Gattin von Willis Chauffeur und Mutter einer in Leningrad studierenden Tochter, die jede knifflige Situation mit gesundem Hausverstand zu lösen weiß. Und selbst die junge Sekretärin Helga Ritter ist, nachdem sie erkennen muss, dass sie der Ehebrecher entgegen seinen Versprechungen nie wirklich heiraten wollte, sehr pragmatisch am Basteln einer Karriere fernab der im doppelten Sinne „alten“ Bindungen.
Die im Film fast liebevoll beschriebenen kleinen Macken jedes einzelnen Charakters sind wohl auch auf die Drehbuchautorin zurückzuführen, deren Bühnenstück als Vorlage diente: Berta Waterstradt, Antifaschistin und Meisterin der komischen Kurzprosa, eine starke, unbequeme Frau, die ebenso Hörspiele für den Rundfunk schrieb wie auch die Drehbücher für zahlreiche DEFA-Produktionen. So hatte sie mit Regisseur Joachim Kunert bereits bei dessen erstem Spielfilm Besondere Kennzeichen: keine (1955) zusammengearbeitet, einem Nachkriegsdrama über eine Frau, die ohne Mann und ohne Arbeit für ihre Kinder sorgen muss. Waterstradt war stets die Darstellung von Alltagssituationen ein Anliegen, die Probleme der arbeitenden Bevölkerung, der Humor der Menschen, den sie sich trotz aller Krisen bewahren. „Hab ich doch immer gesagt“, so lautet die Lebensweisheit von Chauffeur Schliffke, die er in jeder noch so brenzligen Lage zitiert. Aber genau seiner Menschenkenntnis, seiner Aufrichtigkeit und seinem Mitgefühl ist es zu verdanken, dass es nicht zur „Scheidungssache Lorenz“ kommt.
(Brigitte Mayr)

In Kooperation mit der DEFA-Stiftung

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