Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Unter Blinden - Das extreme Leben des Andy Holzer
Dokumentarfilm, AT 2014, Farbe, 99 min., OmeU
Diagonale 2015

Regie, Buch: Eva Spreitzhofer
Darsteller:innen: mit Andy Holzer, Sabine Holzer, Maria und Peter Holzer u. a.
Kamera: Leena Koppe, Tom Mandl
Schnitt: Harald Aue
Originalton: Klaus Kellermann
Musik: Wolfgang Schlögl
Sounddesign: Veronika Hlawatsch
Produzent:innen: Dieter Pochlatko, Jakob Pochlatko
Produktion: epo-film

 

Andy Holzer ist seit seiner Geburt blind. Was das (für ihn) bedeutet, hat er sich nie von anderen sagen lassen. So ist der heute 46-Jährige leidenschaftlicher Profibergsteiger, Skifahrer und Vortragsreisender. Nach eigenen Angaben hat er noch nie so viele Blinde gesehen wie unter den Sehenden. Eva Spreitzhofer porträtiert den Alltag eines charismatischen Lebenskünstlers und formuliert dabei eine umfassende Sinnesreflexion: über Wirklichkeiten und Möglichkeiten, Wahrnehmungen und Grenzüberschreitungen.
www.unterblinden.at, www.thimfilm.at

Katalogtext Diagonale 2015:
Unter Blinden ist ein Film über Wirklichkeiten und Möglich­keiten, über Wahrnehmungen und Grenzüberschreitungen. (Produktionsmitteilung)

Es beginnt wie ein Sportfilm. Andy Holzer (46) erklimmt eine Bergwand. Nur der Mount Everest fehlt dem Osttiroler von den sieben höchsten Gipfeln der Welt. Was sportlich betrachtet bereits eine beachtliche Leistung darstellt, ist im gegebenen Fall auch höchst unkonventionell: Holzer ist seit seiner Geburt blind. Wenn er in der Senkrechte hängt, projizieren sich die Bilder lediglich mit den Händen und Füßen ins Gehirn, erklärt er. Dann erfüllt ihn das Gefühl unbeschreiblicher Freiheit.

Für diese Freiheit musste Holzer lange kämpfen. Schon als Kind hat er Sonderbehandlungen (und damit einhergehende Stigmatisierung) abgelehnt. In der Schule war seine Blindheit keine Ausrede, wenn eine Arbeit mal wieder leer abgegeben wurde; seine heutige Frau hat überhaupt erst nach mehreren Treffen bemerkt, dass ihre Begleitung nicht sehen kann. Alles eine Frage der Wahrnehmung.

Und genau diese zieht sich als roter Faden und in unter­schiedlichen Ausformulierungen durch Eva Spreitzhofers Porträtfilm, der sich zur umfassenden Sinnesreflexion öffnet: Was bedeutet (nicht) sehen können? Wie werden Menschen mit anders gewichteten Bedürfnissen in unserer Gesellschaft wahrgenommen? Wie gestalten sich Welt und Orientierung, wenn ein primärer Sinneseindruck wegfällt? Und wie kann dennoch ein Zugang zu sämtlichen Lebensbereichen ermög­ licht werden?

Empathisch begleitet die Filmemacherin den Alltag ihres charismatischen Protagonisten – des Vortragsreisenden, Profibergsteigers, Skifahrers, Amateurfunkers – und verliert dabei schon mal selbst die Übersicht: „Ich hab nicht erwartet, dass das so schnell geht“, gesteht sie Holzer, als dieser routiniert ins Kellerdunkel hinabsteigt (und die Kamera hinter sich lässt). Er habe ohnehin noch nie so viele Blinde gesehen wie unter den Sehenden, wird er später im Scherz vermerken. Holzer hat seine ureigene Sicht auf die Welt behauptet. Und diese ist nur eine von vielen möglichen, wie sich bei einem Gespräch mit dem blinden Musiker George Nussbaumer zeigt. Im Leben wie im Dokumentarfilm gibt es eben keine ultimative Wahrheit: Alle Wahrnehmung ist relativ. (sh)

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