Diagonale
Diagonale
Diagonale

Sommerkino Murinsel

Im Nachhall des Popschwerpunkts „1000 Takte Film“ (Festival 2017) präsentiert die Diagonale:

“Kiss Daddy Good Night”
Peter Ily Huemer, US 1987, 82 min

Amerika – seine Musik, seine Coolness, seine Mythen – ist immer auch in österreichischen Filmen, die sich in die Gefilde der Popkultur vorwagen, spürbar. Einer, der diese metaphorische Sehnsuchtsbewegung in eine reale, tatsächliche umgesetzt hat, ist Peter Ily Huemer. Im düsteren New York der mittleren 1980er-Jahre findet er das richtige Szenario für einen der unkonventionellsten Thriller der österreichischen Filmgeschichte. In einer Hauptrolle dieses wahren Pop-Juwels: die damals noch unbekannte Uma Thurman.

Di, 5. September, 21 Uhr, Murinsel
Bei Schlechtwetter wird der Film im Murinsel Café gezeigt.
Eintritt frei.

Kiss Daddy Good Night, Still: Peter Ily Huemer

Kiss Daddy Good Night, Still: Peter Ily Huemer

Lange Schatten auf kaltblauen Backsteinwänden, zuckende Körper im Lichtstakkato der nächtlichen Clubs, geisterhafte Gestalten, die unter grellgelben Neon-Billboards ins Kino schreiten: Laura – gespielt von Uma Thurman in ihrer ersten Langfilmrolle – ist selbst ein wenig eine Kinofigur, eine aus den späten 1940er-Jahren in die 1980er-Jahre hinübergeschwemmte Femme fatale, die die Männer um den Finger wickelt: ungewollt (und von ihr unbemerkt) im Falle ihres väterlichen Nachbarn William, gewollt bei den Opfern, die sie gezielt aussucht, verführt, betäubt und schließlich ausraubt. Als ihr Jugendfreund Sid (Paul Dillon) nach New York kommt, um dort eine Band zu gründen, fällt langsam die Fassade, wird der Raum für Identitäts- und Verkleidungsspiele enger. Bis der erste Mord passiert …
Kiss Daddy Good Night nutzt diesen Rahmen, um von etwas ganz anderem zu erzählen: Mäandernd, schlingernd, manchmal fast zum Stillstand kommend fängt der Film die Oberflächen und Atmosphären der Stadt und ihrer Kreaturen in diversen Situationen ein. Kommt Laura nachts nach Hause, wo rund um die Uhr Cartoons im Fernsehen laufen, gleitet die Kamera von ihren High Heels zum Fender-Gitarrencase zu einer Packung Marlboros. Steht sie morgens auf, trägt sie ein T-Shirt mit Roy Liechtenstein-Aufdruck. Laura ist zu Hause in der Welt der Oberflächen, wird selbst eine davon, nutzt diese, um an Wertgegenstände zu kommen, die sonst außerhalb ihrer Möglichkeiten liegen. Nur auf den ersten Blick das Gegenstück: ihre Opfer – reiche weiße Männer, die teure Kunstgegenstände, Gemälde und Bücher in ihren privaten Wohnungen anhäufen und dennoch dahinter verschwinden, ganz genau wie die jüngere Generation hinter ihrer Lifestylekultur. Laura ist Grenzgängerin zwischen den Welten, steigt auf aus den Schatten und Spielen der Nacht und hinein in die Schutzräume jener, die Geld, Status, aber selten Charakter haben.
Es zeichnet Kiss Daddy Good Night aus, dass Huemer diese Dichotomie nicht überspitzt, sie eher ineinander verlaufen lässt. Nicht zuletzt daher rührt die drückende, düs­­­­­­tere Stimmung, die den Film umschließt und die jede einzelne seiner driftenden, ziellosen Figuren gefangen genommen zu haben scheint. Ein metaphorisches Bild für diesen Zustand liefert Johnny (Steve Buscemi): Die rote Stratocaster im Arm sitzt er in einer abgelebten Küche, blickt auf einen auf dem Rücken liegenden aufziehbaren Spielzeughund, der sinnlos in die Leere hinein strampelt, und kommentiert: „That’s my favourite part. I love it!“ (Alejandro Bachmann im Katalog der #Diagonale17)

Consent Management Platform von Real Cookie Banner