Diagonale
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Preisträger Spielfilm: Chaos
Spielfilm, AT/SY/LB/QA 2018, Farbe, 95 min., OmdU
Diagonale 2019

Regie, Buch, Kamera: Sara Fattahi
Darsteller:innen: Raja, Heba, Jaschka Lämmert
Schnitt: Raya Yamisha
Originalton: Sara Fattahi, Bruno Pisek
Musik: Nadim Husni
Sounddesign: Lenja Gathmann
Produzent:innen: Paolo Calamita
Produktion: Little Magnet Films GmbH

 

Bilder jenseits des Sagbaren. Chaos erzählt die Geschichten dreier Frauen aus Damaskus, die mit dem Nachhall traumatischer Kriegserfahrungen zurechtkommen müssen. Jede von ihnen befindet sich an einem anderen Ort, in einer anderen Situation. Sara Fattahi entfaltet, was die Frauen eint: seelische Wunden. Ein sensibel komponierter Filmessay, der das innere Empfinden gleichermaßen ausdrückt wie adressiert.

Chaos erzählt die Geschichten dreier Frauen aus Damaskus, die mit dem Nachhall traumatischer Kriegserfahrungen zurechtkommen müssen. Jede von ihnen – eine ist die syrische Filmemacherin selbst – befindet sich an einem anderen Ort, in einer anderen Situation. Behutsam spannt Sara Fattahi in diesem Filmessay auf, was die Frauen eint: seelische Wunden, die sich unsichtbar im Innersten eingenistet haben.
Auch der Krieg ist in Chaos nicht zu sehen – und doch ist das Abwesende gegenwärtig, hängt wie ein Nebel dumpf über den Bildern: Eine der Frauen lebt noch immer in Damaskus. Schwarze Vorhänge isolieren sie von der Außenwelt. Gefangen in ihrer Trauer wandert sie in den dunklen Schattenwürfen ihrer Wohnung umher, in der sie Tag für Tag ihrem ermordeten Sohn frische Wäsche zurechtlegt – in einer Stille, die keine Ruhe, sondern stumme Sprache dieses Films ist. Während die eine aufgehört hat, mit der Außenwelt zu kommunizieren, versucht eine andere, den Schmerz und die Ängste auszudrücken, die sie immer wieder den Halt verlieren lassen. Im schwedischen Exil probiert die junge Künstlerin, ihre bitteren Erinnerungen in Bilder und Collagen zu sperren. In kühlen Nahaufnahmen haftet die Kamera konzentriert auf Ausschnitten ihres Gesichts und folgt dem Blick aus dem Fenster nur selten, verweilt mit ihr in der Enge. Kristalline Spiegelbilder lassen die Silhouette der jungen Frau verrutschen, als würde sich ein entfremdeter Teil von ihr abspalten wollen. In Wien lässt Sara Fattahi eine Schauspielerin als ihr Alter Ego durch die Gassen streifen. Wie eine Doppelgängerin, das Gesicht der Kamera nie zugewandt und ausgeschickt, sich in der fremden Umgebung zu verorten. Diesen Kunstgriff verbindet sie mit Gedichten zu Krieg und Exil von Ingeborg Bachmann, deren Stimme auch in Auszügen eines Radiointerviews zu hören ist: „Über den Krieg kann jeder etwas schreiben. Der Krieg ist immer schrecklich, aber über den Frieden etwas zu schreiben – über das, was wir Frieden nennen, denn das ist der Krieg. Der wirkliche Krieg ist nur die Explosion dieses Kriegs, der der Frieden ist.“
Ohne eine vereinfachende Ordnung oder Bedeutungshierarchie für die Fragmente hervorbringen zu wollen, sucht Chaos nach etwas, das jenseits des Sichtbaren und Sagbaren liegt. Sara Fattahi findet in diesem intimen Film sensibel komponierte Bilder voller Feingefühl, die das innere Empfinden gleichermaßen ausdrücken wie adressieren.
(Katalogtext, jk)

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