Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Preisträger Franz-Grabner-Preis
Dokumentarfilm, 2017, Farbe, 87 min.
Diagonale 2017

Regie, Buch: Djordje Čenić
Kamera: Hermann Peseckas
Schnitt: Dominik Spritzendorfer
Originalton: Andreas Hamza
Musik: Djordje Čenić aka Djoki Django
Sounddesign: Siegmar Aigner

 

„Die Backerbsensuppe ist super. Die Klassenunterschiede weniger.“ Mit witzigen, selbstironischen und berührenden Anekdoten begibt sich Djordje Čenić, Sohn einer Gastarbeiterfamilie, auf eine autobiografische Zeitreise in sein Heimatdorf im heutigen Kroatien und seine Kindheit in Linz. Unten wirft einen versöhnenden und beinahe zärtlichen Blick auf die Narben des ehemaligen Jugoslawien, auf die Erinnerungsarbeit und auf die alte und die neue Heimat des Filmemachers.

Warum muss bei „Partisanen und Faschisten“, der jugoslawischen Variante von „Räuber und Gendarm“, immer das Gastarbeiterkind den Nazi spielen? Mit witzigen, selbstironischen und berührenden Anekdoten begibt sich der Filmemacher Djordje Čenić auf eine autobiografische Zeitreise: In den 1970er-Jahren in Linz aufgewachsen, hatte er es als Kind einer Gastarbeiterfamilie aus dem heutigen Kroatien nicht immer leicht – ärmliche Verhältnisse, die Flucht ins Sommerferienidyll der alten Heimat, das Stigma eines Gastarbeiter/innenkindes, das im Schulunterricht nach einer Rechtfertigung für die Ermordung des Thronfolgers im Attentat von Sarajevo gefragt wird. Er sieht sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Österreicher zu sein, und dem Eifersucht auslösenden Wissen, nie so wirklich dazugehören zu können.
Čenićs Erinnerungen führen in sein vom Krieg zerstörtes Heimatdorf, zu seinen Wurzeln und zu den Erzählungen seines Opas. In starkem Kontrast zum tristen Linz, Herz der Stahlindustrie, erweckt das idyllische Dorf den Anschein, als wäre hier die Zeit stehen geblieben – die Bilder altmodischer Lebensumstände und verfallener Häuser verbinden sich mit alten Foto- und Filmaufnahmen zu einem Sehnsuchtsort mit dem so schwer zu definierenden Namen Heimat. Čenić erzählt mit oberösterreichischem Dialekt von Integration und „muttersprachlichem Zusatzunterricht“ in der Linzer Schule, von Josip Broz Tito, von Slobodan Milošević und vom blutigen Krieg, der Jugoslawien gespalten hat. Die komplexen politischen und ideologischen Verstrickungen haben die Jugend des Filmemachers zwischen Kommunismus und Nationalismus, „Jugo-Rock“ und mehreren Identitäten (Serbe, Kroate, Österreicher) geprägt. Als ebenso prägend erweist sich aber auch die Kindheit in Österreich, die über Aufnahmen der Familie beim Sanieren der Gemeindebauwohnung oder auf dem Faschingsfest erfahrbar wird – „Irgendwie sind wir richtig gute Österreicher und Österreicherinnen geworden“.
Mit stetem Augenzwinkern wirft Unten einen versöhnenden und beinahe zärtlichen Blick auf die Narben, die im ehemaligen Jugoslawien und im Gedächtnis des kleinen Gastarbeiterbuben zurückgeblieben sind, und auf Erinnerungsarbeit an sich. Die intime Chronik sowohl komischer als auch tragischer Momente einer Familie, deren Spagat zwischen Anpassung und Geschichte, zwischen oben und unten exemplarisch für Generationen von Gastarbeiter/innen steht.
(Katalogtext, cw)

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