Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Einer von uns
Spielfilm, AT 2015, Farbe, 86 min.
Diagonale 2016

Regie, Buch: Stephan Richter
Darsteller:innen: Jack Hofer, Simon Morzé, Christopher Schärf, Dominic Marcus Singer, Andreas Lust, Markus Schleinzer, Rainer Wöss, Birgit Linauer
Kamera: Enzo Brandner
Schnitt: Andreas Wodraschke, Julia Drack
Originalton: Hjalti Bager-Jonathansson
Musik: Maja Osojnik & Matija Schellander
Sounddesign: Rudolf Gottsberger
Szenenbild: Julia Oberndorfinger & Christine Dosch
Kostüm: Monika Buttinger
Weitere Credits: Casting: Rita Waszilovics, Maske: Uschi Filipp, Produktionsleitung: Christine Schwarzinger, Louis Oellerer
Produzent:innen: Arash T. Riahi, Karin C. Berger
Produktion: Golden Girls Filmproduktion

 

Innovative Produktionsleistung der VAM 2016

2009 erschoss die Polizei einen Teenager bei einem nächtlichen Einbruch in einen Supermarkt in einem Vorort von Krems. Inspiriert von diesem wahren Fall greift Einer von uns das Lebensgefühl der Jugendlichen auf, das von Konsum und ohnmächtiger Rebellion geprägt ist. Der 14-jährige Julian und sein Freund Marko geraten so in Konflikt mit dem angepassten Stillstand, der die Welt der Erwachsenen prägt. Ein Konflikt, der in einer unerwarteten Tragödie endet.

Das Opfer liegt bewegungslos im Zentrum des Bildes, niedergestreckt von der Dienstwaffe eines Polizisten, ein Körper am Gang zwischen den Regalen eines Supermarkts, auf poliertem Boden, bestrahlt von kaltem Neondeckenlicht. So beginnt und endet dieser Film, in aller Stille: ein Werk der Trauer über etwas kaum Begreifbares, in seiner Sprache kühl und zart zugleich, empathisch, aber ohne falsches Pathos. Zwischen den Szenen jener Bluttat, auf die diese Erzählung hinauslaufen muss, wird in Einer von uns das Umfeld gezeichnet, in dem so etwas stattfinden konnte: der Schuss in den Rücken eines unbewaffneten, fliehenden Teenagers, der aus Übermut nachts in ein Geschäft eingebrochen war. Stephan Richters Regiedebüt dreht sich um einen Vorfall, der sich im Hochsommer 2009 in Niederösterreich, siebzig Kilometer westlich von Wien, tatsächlich ereignet hat. In den frühen Morgenstunden des 5. August wurde ein 14-Jähriger in einem Supermarkt im Kremser Stadtteil Lerchenfeld von einem Beamten der Polizei erschossen. Richter nähert sich dem Fall analytisch, er hält Distanz zu seinen Charakteren, wählt lieber entlegene Perspektiven als das Mittendrin konventioneller TV-Doku-Dramatik. Mit Realismus und Psychologie hält sich Richter zurück, weil er weiß, dass das Kino die Details des „Wirklichen“ nicht entziffern kann. Die „Wahrheit“ ist nicht rekonstruierbar, ihr Innerstes bleibt – für immer – undurchdringlich. Man kann anderes zeigen: Milieus und Lebensstile, Moden, Arbeits-, Sprech- und Handlungsweisen. Richter findet dabei zu treffenden Tonfällen, gibt den Chancenlosen und Desillusionierten Stimmen, Gesichter und Körper. Sein Film zieht sich immer wieder ins Meditative zurück: in das Unheimliche der streng geordneten Warenreihen, in die trancehaften Kamerafahrten entlang der Kühltruhe, in der nur das Zucken einer defekten Neonröhre die Ruhe stört. Die Industriearchitektur ist abweisend, der Schauplatz eine Todeszone, die Inszenierung gemessen, kontrolliert. In seinem Kern ist Einer von uns ein mörderisch ruhiger Film. Er habe „aus Furcht“ geschossen, gab der 43-jährige Todesschütze im März 2010 während der Verhandlung seines Falls an, er habe „wohl überreagiert“. Weil er sich in diesem Sinne schuldig bekannt hatte, kam das Landesgericht Korneuburg zu einem milden Urteil: acht Monate Haft, bedingt. Die verhängte Strafe hatte gemäß der Gesetzeslage keine Auswirkungen auf die weitere berufliche Laufbahn des Polizisten.
(Stefan Grissemann)

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